Pro Tag trifft jeder Mensch unzählige Entscheidungen. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen haben ihre Theorien und Vermutungen dazu entwickelt, wie diese Entscheidungsfindung ablaufen könnte. Seit einigen Jahren haben die Kognitions- und Neurowissenschaften die Erkenntnisse revolutioniert: der weitaus grösste Teil aller Entscheidungen wird unbewusst gefällt. Das hat immense Konsequenzen für das Kundenverständnis. Es verändert alles.

Wie treffen Menschen (Kauf-)Entscheidungen?

Lange Zeit haben Vertreter der Wirtschaft und Marketingberater das Modell des “Homo Oeconomicus” propagiert und darauf die Massnahmen zur Verkaufsförderung begründet: Der Menschen wird dabei als rationales Wesen verstanden, das sich vor einer Entscheidung informiert und im Anschluss jene Option wählt, die den grössten (persönlichen) Nutzen einbringt. Dieses Modell wurde von Kognitions- und Neurowissenschaftlern glaubwürdig widerlegt. Entscheidungen werden bei weitem nicht so rational getroffen wie vermutet. Der Grund dafür ist ein zweites System im Gehirn, das das rationale System entlastet. Es funktioniert unbewusst und steuert unbemerkt unsere Entscheidungen mit.

Erkenntnis der Neurowissenschaften: es gibt zwei Entscheidungssysteme im Gehirn

Den beiden Wissenschaftlern Daniel Kahneman und Amos Tversky verdanken wir das bessere Verständnis davon, wie Menschen Entscheidungen fällen. Für seine jahrzehntelange Forschung hat Kahneman 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Zu jenem Zeitpunkt war Tversky leider bereits verstorben. Im Buch “Schnelles Denken, langsames Denken” erklärt Kahneman, dass dem Menschen zwei Systeme zum Treffen von Entscheidungen zur Verfügung stehen: System 1 und System 2.

System 1: Schnell, immer aktiv, emotional, unbewusst

System 1 ist immer aktiviert und es funktioniert ohne unser Zutun bzw. Bewusstsein. Es läuft sozusagen automatisch. In diesem System spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Nicht selten basieren die von System 1 getroffenen Entscheidungen auf Gewohnheiten und Stereotypen. Entsprechend sind die Entscheidungen von System bei weitem nicht immer perfekt. Im Gegenteil. Und dennoch – in den meisten Fällen sind die Resultate völlig ausreichend und zufriedenstellend. Das schnelle Denken bietet den Vorteil, dass es wenig Zeit in Anspruch nimmt, wir also rasch entscheiden.

System 2: Langsam, schnell müde, logisch, bewusst

System 2 muss bewusst aktiviert werden. Sprich wir sind uns bewusst, wenn wir es anwenden. In diesem System verhalten wir uns logisch und wägen die verschiedenen Alternativen genau ab. Folglich sinkt die Anfälligkeit für falsche Entscheidungen und auch die Gefahr auf Stereotypen reinzufallen. Der Preis dafür ist jedoch recht hoch: Wir müssen unser Gehirn anstrengen, was ermüdend ist und verhältnismässig viel Energie kostet. Deshalb kommt das langsame Denken von System 2 seltener zum Einsatz als es eigentlich sinnvoll wäre.

Lassen sich diese Systeme im Gehirn lokalisieren?

Neurologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die beiden Entscheidungssysteme in unterschiedlichen Gehirnarealen repräsentiert sind. Dies kann mit sogenannten bildgebenden Verfahren (fMRI, PET) sichtbar gemacht werden:

Das langsame und rationale Denken, das System 2, findet im Neokortex statt. Er besteht aus grauer Substanz und enthält mehrere Milliarden Neuronen.

Das schnelle und intuitive Denken findet in einem tiefer liegenden Bereich des Gehirns statt. Das schnelle Entscheiden hängt mit der Aktivierung der Amygdala zusammen, welche von manchen Autoren als Teil des limbischen Systems betrachtet wird.

Die heimliche Macht des Unbewussten

Es gibt einen intensiven Diskurs darüber, wie gross der Anteil von System 1 ist. Während die einen von 80% sprechen, gehen andere von 85% aus, andere gar von 90%. Wie auch immer – wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, führt kein Weg an System 1 vorbei. Sprich unsere Entscheidungen verfügen immer über eine hohe unbewusste, emotionale Komponente.

In der Forschung wird davon ausgegangen, dass der Mensch, sofern Bedarf ist, jederzeit System 2 dazu schalten kann, um zu übernehmen und eine Entscheidung zu verifizieren. Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass es für das logische, bewusste System gar nicht so einfach ist, sich gegen das emotionale, unbewusste System durchzusetzen.

Wenn es um eine Entscheidung geht, bei der es objektiv eine richtige bzw. eine falsche gibt und System 2 es nicht gelingt, sich durchzusetzen, spricht man von kognitiven Verzerrungen. Diese werden von der Person, die ihnen verfällt, nicht bewusst wahrgenommen und basieren auf kognitiven Heuristiken.

Aber nicht bei jeder Entscheidung geht es um richtig oder falsch. Nur zu oft geht es lediglich um eine Wahl: A oder B? Oder auch die Wahl zwischen mehreren Optionen. Hier schaltet sich System 2 weitaus weniger oft ein und die Entscheidung fällt durch System 1. Das hat Konsequenzen.

Die Konsequenzen für die Kundenansprache

Wer die Website-Besucher von den eigenen Angeboten begeistern will, muss begreifen, dass es nicht reicht, System 2 anzusprechen. Wem es dagegen gelingt, emotional zu kommunizieren und damit System 1 anzusprechen, hat weitaus höhere Chancen bei der Kundengewinnung.

Doch welche Emotionen und Werte entfalten bei wem welche Wirkungen? Und wie können diese Emotionen über Farben, Formen, Schriften und Texte ausgelöst werden? Die Antwort ist einfach und schwierig zugleich: Indem man sich mit der Zielgruppe auseinandersetzt und herausfindet, was diese antreibt und welche Werte und Emotionen von Bedeutung sind.

Quellen:
Kahneman, D. (2012). Schnelles denken, langsames Denken. Siedler Verlag.

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